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Das echte und das unechte Ringlein .
Ein Märchen von Peter Meurer
Es war einmal eine große bunte Wiese, mit welcher es Petrus, der Schutzpatron
des Wetters, besonders gut meinte, da er ihr so viel Regen und Sonnenschein gab, dass sie
weit und breit schöner aussah als ihresgleichen.
Eines Tages aber fühlte sie an einer Stelle ihres Körpers einen sanften Stoß und
lächelte über das Bild, das sich ihr bot. Mitten zwischen zwei großen hellblauen
Glockenblumen saß ein kleiner Wichtel, welcher sich zur großen Belustigung aller
umstehenden Blumen und Gräser sein Hinterteil rieb. "Wie kommst du denn
hierher" rief es von allen Seiten und aus dem doch immer froher werdenden Gesicht
konnten sie sicher bald eine Antwort erwarten. Da stand das Wichtlein auf, verneigte sich
tief vor all den bunten Blumen und sagte mit ernstem Ausdruck: "Peter ist mein Name.
Mehr kann ich euch nicht verraten, nur, dass mich der gute alte Petrus droben im Himmel
wieder zur Erde schickte, weil ich es ehrlich meinte mit meiner großen Liebe, welche ich
jetzt dort drüben am Waldrand unter den dort wohnenden Menschen suchen soll, um ihr ein
echtes Ringlein an den Finger zu stecken. Ihr müßt nämlich wissen, dass ich schon
einmal als Mensch auf dieser schönen Erde lebte und ein gutes und hübsches Mädel den
Platz in meinem Herzen eingenommen hatte. Jedoch, da es mir nicht immer möglich war es
anzuschauen oder auch mit ihm zu sprechen, legte ich in einer stillen Stunde, in welcher
ich große Sehnsucht nach ihr hatte, da ich ihr fern war, ein kleines unechtes Ringlein an
meinen Finger und immer glaubte ich, wenn dieses so hell glänzte, ganz tief ins Herz
meiner Liebsten zu schauen.
So verging mir die Zeit, in welcher ich sie nicht sehen konnte, rascher; und ich deutete
den Glanz des Ringleins als Freude, Frohsinn und Glück, welche meinem Mädel innewohnten.
Doch eines Tages kam die Stunde, in welcher ich dieser schönen Welt "lebe wohl"
sagen mußte, weil es mein Schicksal so bestimmt hatte... Plötzlich stand ich vor dem
großen strahlendem Himmelstor, an welchem ein silbernes Glöckchen hing. An dessen Schnur
zog ich und begehrte, mit gutem Gewissen, meinen Einlaß in die schönen Gemächer der
Ewigkeit.
Die Blumen und Gräser, zwischen denen sich auch viele Feld- und Wiesentiere, wie herrlich
bunte Schmetterlinge und Käfer versammelt hatten, hörten unter großer Teilnahme dem
kleinen Wichtel zu und einige Kröten wiegten ihr weises Haupt, da ihnen die Geschehnisse
in der ihnen unbekannten weiten Welt der Menschen fremd und gar unheimlich vorkamen, denn
sie wußten nichts ihnen und ihren sonderbaren Schicksalen.
Da fuhr das Wichtlein fort in seiner Erzählung: "Gerade als mein Herz am heftigsten
schlug, vor der Erwartung meines weiteren Weges, kam der alte Petrus zum Himmelstor. Er
fragte mich, ob ich auf Erden stets ein guter Mensch gewesen sei und niemanden etwas
zuleide getan hätte. Ich bejahte diese Frage reinen Gewissens, denn ich war immer
bemüht, die zehn Gebote meines Glaubens einzuhalten und nicht gegen sie zu verstoßen. Da
deutete er auf das Ringlein an meinem Finger und fragte mich: "Wie kommst du zu
diesem Ringlein"? Darauf erzählte ich ihm die Geschichte meiner großen aber
unerfüllten Liebe zu dem hübschen Mädchen. Petrus hörte mir aufmerksam zu und ließ
immer wieder ein sanftes Lächeln über seine guten Züge gleiten. Doch ich war etwas
beschämt ob des unechten Ringleins.
Als ich meine Erzählung beendet hatte, ging Petrus über ein paar Wolken und sah hinab
zur Erde, als wenn er dort etwas suche. Dann kam er zurück und sagte zu mir, ich solle
warten, er müsse erst einmal mit dem lieben Herrgott reden. Kaum war er meinen Blicken
entschwunden, ließ sich ein schöner Engel mit leichten Flügelwehen neben mir nieder, um
mir durch die Erzählung seines Lebens auf der Erde die Wartezeit zu verkürzen. Nach
einer Weile kam Petrus wieder und tat mir kund: dass der liebe Herrgott mich noch einmal
auf die Erde schickt, um meiner Liebsten, da sie mir bisher treu geblieben war, doch noch
ein echtes Ringlein an den Finger zu stecken, das er mir gab. Nun bin ich hier!"
sagte das Wichtlein und tat einen Freudenhüpfer, dass die Schnecken vor Schreck ihre
Fühler einzogen, "und werde meine Liebe suchen!"
Alle Blumen und Gräser, freuten sich sehr über diese Geschichte und die Vöglein
versprachen: bei der Suche nach der Liebsten behilflich zu sein. So verabschiedete sich
der Kleine, setzte sich auf den Rücken einer Drossel, welche ihn, fröhlich jubilierend,
geradezu zum nahen Waldrand brachte und dort absetzte. "Danke!" sagte das
Wichtlein "für deine Hilfe !" und machte sich allein auf den Weg, um sein
geliebtes Mädchen zu finden. Die Drossel versprach zu warten, setzte sich auf einen tief
herabhängenden Zweig einer alten Buche , um zu beobachten was nun geschehen würde.
Es dauerte nicht lange, bis sie zurückfliegen konnte zu den Blumen und Tieren auf der
großen Wiese, die sie schon voller Spannung erwarteten um ihren Bericht zu hören.
"Stellt euch vor" rief sie und ihr Rufen klang wie der Gesang einer
Nachtigall "gerade als ich Peter, den Wichtel, abgesetzt hatte, kam ein
wunderschönes Mädchen den schmalen Weg zwischen Wald und Wiese daher und, freut Euch mit
mir, in diesem Augenblick verwandelte sich der kleine Wichtel in einen stattlichen jungen
Mann, in hellem Anzug mit glänzenden Schuhen und ging geradewegs auf das Mädchen zu. Als
sie beieinander standen, sahen sie sich tief in die treuen Augen und den Peter erkannte
sein Mädchen sofort, wie sie auch ihn mit freudigem Herzen erkannte! Nun konnte er
endlich, den ihm vom heiligen Petrus geschenkten und vom lieben Herrgott gesegneten echten
Ring, an ihren Finger streifen und ich ahnte, dass sich die beiden niemals mehr
voneinander trennen würden. Ich mußte gleich zu zurückfliegen, um euch dieses zu
berichten!"
Es war ein schönes Bild: die große bunte Wiese auf welcher die Glockenblumen läuteten,
im hellen Sonnenschein die Schmetterlinge wie tanzend auf und nieder schaukelten und
Amseln, Drosseln, Finken und Stare ein Konzert gaben, das einen wunderschönem
Hochzeitslied wohl Konkurrenz gemacht hätte.Bei etwas Phantasie konnte man direkt
erahnen, wie der gute alte Petrus von einer weißen Wolke lächelnd auf die Erde
hinabschaute, auf das glückliche dahinschreitende Paar.
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